Schlechtes Gewissen nach dem Schimpfen – sei gut zu dir selbst
Schon wieder hört dein Kind nicht. Oder das Chaos nimmt überhand. Oder ihr kommt schon wieder zu spät. Du hörst dich selbst schimpfen. Die Worte sind draußen, noch bevor dein Kopf sie sortieren konnte. Dein Kind schaut dich an – erschrocken, verletzt, vielleicht auch trotzig. Und da ist es. Dieses Ziehen in der Magengegend. Das schlechte Gewissen.
„Das wollte ich doch gar nicht.“
Wenn du dich hier wiedererkennst: Du bist nicht allein. Und du bist nicht falsch. In meinen Beratungen begegnet mir dieses Thema ständig. Deshalb ist dieser Artikel für dich.

Warum wir schimpfen – und was unser Gehirn damit zu tun hat
Viele Eltern glauben, sie müssten sich einfach mehr zusammenreißen. Weniger laut werden. Geduldiger sein. Aber das greift zu kurz – denn: Schimpfen passiert oft nicht willentlich, sondern aus einem hochstressigen Zustand heraus.
Wenn du gestresst bist, übernimmt in deinem Gehirn das limbische System – unser emotionales Alarmsystem. Der Teil des Gehirns, der eigentlich für Empathie, Impulskontrolle und Perspektivübernahme zuständig ist, ist dann kaum aktiv: der präfrontale Cortex.
Das ist der Bereich, mit dem du klar denken, ruhig reagieren, dich in dein Kind einfühlen kannst.
Aber: In akuten Stressmomenten ist dieser Teil quasi offline.
Empathie bedeutet: Ich kann mich in dich hineinversetzen, erkenne deine Gefühle – und kann gleichzeitig meine eigenen regulieren.
Und genau das ist in brenzligen Alltagsmomenten oft nicht möglich. Weil der Einkauf stressig war. Du eigentlich schon lang aus dem Haus sein sollst. Weil dein Nervensystem auf Anschlag läuft. Weil niemand dich entlastet hat.
Empathie bedeutet übrigens nicht nur „Ich verstehe dich“, sondern: Ich kann mich in dich einfühlen und dabei bei mir selbst bleiben. Wenn dein präfrontaler Cortex gerade inaktiv ist, fällt dir genau das schwer. Das erklärt, warum du dein Kind in ruhigen Momenten liebevoll verstehst – aber im Stress plötzlich ganz anders reagierst.
Schimpfen, Entschuldigen, Wiederholen – ein Kreislauf, der sich ändern lässt
Natürlich ist es wichtig, dich nach einem Ausbruch bei deinem Kind zu entschuldigen. Ehrlich, klar, auf Augenhöhe. Aber wenn sich dieses Muster ständig wiederholt – du wirst laut, fühlst dich schlecht, entschuldigst dich, und beim nächsten Stress passiert es wieder – entsteht ein instabiles Muster.
Das Problem daran ist nicht das einzelne Schimpfen. Es ist der Kreislauf aus Schuld, Druck und erneuter Überforderung. Du willst es „nächstes Mal besser machen“, setzt dich unter Druck – und weil dieser Druck wieder Stress auslöst, landest du erneut im selben Muster.
Ich erlebe oft in Beratungen, dass Eltern denken, sie müssten einfach „konsequenter an sich arbeiten“. Aber Veränderung entsteht nicht durch mehr Disziplin, sondern durch mehr Verständnis für dich selbst – und durch strukturelle Entlastung.
Und mal ehrlich: Stell dir vor, dein Kind müsste sich an einer perfekten Mutter orientieren. Es würde an dir zerbrechen.
Perfektion ist kein Vorbild – Beziehung ist es.
Was dir wirklich hilft: Bewusstsein, Verbindung, Verantwortung
Was kannst du tun, um solche Situationen langfristig zu entschärfen – ohne dich ständig zu hinterfragen oder zu verurteilen?
Zuerst: Beobachte deine eigenen Stressmomente. Wann wirst du regelmäßig laut? Welche Situationen bringen dich aus dem Gleichgewicht? Ist es das Zähneputzen, das Anziehen, das Abendritual? (Spoiler: Übergänge sind Klassiker!) Wenn du das erkennst, kannst du anfangen, sie vorzubereiten – nicht dein Kind, sondern dich selbst.
Nimm dir außerdem bewusst Mini-Pausen. Schon drei tiefe Atemzüge oder 30 Sekunden im Bad können den Schaltkreis in deinem Gehirn verändern. Weniger Reizinput = mehr Reaktionsspielraum. Du musst nicht dauerpräsent sein – du musst erreichbar bleiben. Für dich selbst und dein Kind.
Und wenn du doch schimpfst: übernimm Verantwortung, ohne dich kleinzumachen. Sag deinem Kind, was in dir passiert ist. „Ich war überfordert. Es tut mir leid. Du hast nichts falsch gemacht.“ So lernt es: Auch große Menschen machen Fehler – und können daraus wachsen.

Du darfst Fehler machen – und du darfst daraus lernen
Schimpfen macht niemandem Spaß. Es ist ein Beziehungseinbruch – kein Weltuntergang. Wichtig ist, dass du den Weg zurück in die Verbindung findest. Und dass du dich dabei nicht selbst verlierst. Du brauchst keine elterliche Perfektion, sondern emotionale Widerstandsfähigkeit. Und die entsteht nicht durch ständiges Funktionieren, sondern durch bewusste Reflexion – und durch Unterstützung.
Vielleicht brauchst du keine große Veränderung, sondern einfach eine Begleitung in dieser intensiven Zeit. In meinen Einzelberatungen schauen wir gemeinsam, welche Alltagsmuster bei euch Stress verursachen – und wie du sie verändern kannst, ohne gegen dich selbst zu arbeiten. Oder du steigst in mein Sleep Talk Familienreise-Programm ein, wenn Schlaf und Beziehungsthemen bei euch eng zusammenhängen.
Was ich dir heute mitgeben will: Du bist nicht falsch. Du bist ein Mensch. Und du liebst dein Kind. Das reicht.
Kennst du das Gefühl, wenn du dich nach dem Schimpfen selbst nicht mehr magst? Dann sei gut zu dir selbst.
Wenn du mehr zu diesem Thema wissen willst, komm gern in meinen Workshop „…auch die beste Strafe taugt nichts“. Die Termine dafür findest du HIER.