Ohne Schimpfen, ohne Strafen – wie du im Alltag liebevoll und klar bleibst

Ich bin Bettina Dutzler, Psychologin (MSc.), Landesleitung des Artgerecht®-Projekts für Österreich. Ich gebe in ganz Oberösterreich regelmäßig Workshops zum Thema „Erziehen ohne Schimpfen“ – unter dem Titel „Auch die beste Strafe taugt nichts. In diesem Artikel bekommst du die wichtigsten Inhalte, Fragen & Aha-Momente aus meinen Workshops – kompakt, ehrlich, alltagstauglich.

Was ich in den Workshops immer wieder höre:
„Ich will ja nicht mehr schimpfen. Aber was soll ich stattdessen tun?“
„Darf ich denn gar keine Konsequenzen mehr setzen?“
„Und was ist mit meinen eigenen Grenzen – zählen die auch?“

Ich kenn das alles. Und ich weiß auch, wie schnell man an seine Grenzen kommt.

Nach der Geburt meines zweiten Kindes war ich überfordert. Mein Großer hat lautstark protestiert, ist gefühlt bei allem in den Widerstand gegangen. Ich hab irgendwann angefangen zu strafen – keine Medienzeit, früher ins Bett… bis er mich einmal angeschaut und gesagt hat:
👉 „Mama, immer bin ich an allem schuld.“

Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen:
Mein Kind hat nicht provoziert. Er konnte kognitiv gar nicht erfassen, was da zwischen uns los war. Ich hab ihm viel zu viel Verantwortung übergestülpt. Kinder sind nicht dafür da, dass Familien „funktionieren“.
Das ist unsere Aufgabe. Und genau darum geht’s heute.

Hier schreibt: Bettina Dutzler, Expertin für Baby- und Kleinkindzeit

Dein Kind provoziert nicht – es kompensiert

Mein Kind damals hat nicht bewusst provoziert.
Provokation setzt kognitive Reife voraus – und die hatte er noch nicht. Was er getan hat, war: kompensieren. Mit seinem Verhalten hat er mir gezeigt:
👉 „Mama, ich schaff das nicht allein.“

Kinder drücken mit ihrem Verhalten oft das aus, was sie noch nicht in Worte fassen können.
Wenn wir anfangen, Verhalten als Botschaft zu sehen, wird vieles klarer.

Was mir damals geholfen hat? Hilfe annehmen, Unterstützung suchen. Meine Mama kam zB so oft es ging und übernahm die Mittagsschläfchen im Kinderwagen. Das war dann die exklusiv-Zeit mit meinem Großen.


Bedürfnisorientiert ist nicht Laissez-faire

Ein häufiger Mythos: Bedürfnisorientierung heißt, die Kinder dürfen alles.

Stimmt nicht. Fragt meine Kinder – ich bin ziemlich streng.
Es gibt Regeln, es gibt Grenzen. Und es gibt den Rahmen, in dem wir als Familie gut leben können.

Aber: Innerhalb dieser sozialen Grenzen dürfen meine Kinder mitgestalten.
Sie wissen:

  • Ihre Meinung zählt
  • Sie werden gehört
  • Ihre Gefühle sind wichtig – auch wenn ich sie nicht immer erfüllen kann

Und ja – ich bin trotzdem manchmal eine Arschloch-Mama (Zitat meines Kindes).
Aber das ist okay. Ich nehm das nicht persönlich.
Denn ich wachse. Mit meinen Kindern. (Wir machen das schließlich alle das erste Mal!)


Konsequenz ist nicht gleich Strafe

Strafen wirken – kurzfristig.
Aber sie verändern kein Verhalten. Sie schaffen keine Einsicht.
Oder bist du nach deinem ersten Strafzettel nie wieder zu schnell gefahren?

Kinder brauchen Konsequenzen. Aber bitte keine willkürlichen Strafaktionen, sondern solche, die sie verstehen und aus denen sie lernen.

Es gibt drei Arten von Konsequenzen:

  • Logische Konsequenzen:
    Etwas wird verschüttet → gemeinsam aufwischen.
  • Persönliche Konsequenzen:
    „Ich bin müde, ich möchte dich jetzt nicht mehr herumtragen.“
  • Künstliche Konsequenzen (Strafen):
    „Wenn du nicht aufhörst zu toben, gibt’s heute kein Tablet.“

Deine Grenze zählt – auch wenn dein Kind sie nicht mag

Ein zentrales Missverständnis in der bindungsorientierten Erziehung:
„Ich muss immer alle Bedürfnisse erfüllen.“

Nein. Du darfst deine Grenzen setzen. Du musst es sogar.
Denn wenn du über deine Kräfte gehst, hat niemand etwas gewonnen – am wenigsten dein Kind.

Das Problem: Viele Eltern wissen gar nicht, was sie selbst eigentlich brauchen.
Sie funktionieren. Sie geben. Sie halten durch. Oft haben wir das in unserer eigenen Kindheit auch gar nicht so klar gelernt.

Aber weißt du immer, warum du gerade traurig bist?
Oder warum dich genau diese Situation so stresst?

Bedürfnisorientierung fängt bei dir an. Du darfst dich dabei mitnehmen und dazulernen. Im Artikel Bedürfnisorientert, Bindungsorientiert und Beziehungsorientiert gehe ich auf die zentralen Unterschiede und Missverständnisse genauer ein.

ohne Schimpfen, ohne Strafen - trotzdem liebevoll durch den Alltag

Was Kinder brauchen: Alternativen statt Drohungen

Viele Kinder hören den ganzen Tag, was sie nicht tun dürfen.
Aber was sie stattdessen tun können, das weiß oft niemand.

🧸 Beispiel:
Statt „Hör auf, deinen Bruder zu hauen!“ versuch, Alternativen aufzuzeigen. Was darf dein Kind mit seinem Geschwister? →
„Hier kannst du ihn streicheln. Kitzeln mag er auch gern. Wenn du ihn tragen möchtest, sag mir bitte vorher Bescheid – dann helf ich dir.“

Kinder brauchen Orientierung, nicht Druck.
Also: Zeig ihnen, was möglich ist.

Über die Sprache, wie wir mit unseren Kindern reden, lässt sich ebenfalls viel regulieren. Wenn du dazu genauer nachlesen magst: Wollen, sollen, dürfen, müssen – Alltagssprache unter der Lupe.


Was bei Stress in deinem Gehirn passiert – und wie du da rauskommst

Wenn du im Stress bist, übernimmt dein Notfall-Modus.
Dein präfrontaler Cortex – zuständig für Empathie, logisches Denken, Problemlösung – schaltet sich ab.
Und damit auch:

  • deine Körperwahrnehmung
  • deine Geduld
  • deine Fähigkeit, klar zu bleiben

Was übrig bleibt: Impuls. Reflex. Laut werden.
Aber genau in diesen Momenten brauchst du Zugang zu dir – um dein Kind wirklich begleiten zu können.

Was hilft? Bauchatmung.

Leg deine Hand auf den Bauch.
Atme langsam dorthin.
Bauchatmung funktioniert nur, wenn wir entspannt sind – und genau deshalb trickst du dein Gehirn aus.
Denn es kann nicht unterscheiden: Tun wir nur so? Oder sind wir wirklich ruhig?

So holst du dich zurück in deine Mitte. In die Verbindung.


Fazit: Klar sein ohne Lautwerden – das geht

Du musst nicht alles perfekt machen.
Du darfst überfordert sein.
Du darfst auch mal schimpfen.

Aber du kannst – heute, morgen, nächste Woche – anfangen, neue Wege zu gehen.
💜 Ohne Strafen.
💜 Ohne Schuldgefühle.
💜 Ohne dich selbst zu verlieren.

Und wenn du merkst: Ich brauche dabei Unterstützung –
Dann bin ich für dich da.

👉 Hier geht’s zur Einzelberatung