Stillen und Karies: Was wirklich stimmt – und wann du dir Sorgen machen musst
Es ist ein Satz, der bei vielen Müttern sofort Alarm auslöst: „Stillen macht Karies.“
Oft kommt er von der Kinderärztin oder der Zahnärztin – manchmal beiläufig, manchmal mit ernster Miene.
Und plötzlich steht da eine Frage im Raum, die verunsichert: „Soll ich wirklich aufhören zu stillen, damit mein Kind keine schlechten Zähne bekommt?“
Die kurze Antwort lautet: Nein.
Viele Mütter spüren in solchen Momenten, dass etwas an dieser Aussage nicht stimmt – auch wenn sie es nicht sofort belegen können. Warum du deinem Gefühl oft trauen darfst und was hinter dem sogenannten „Mutterinstinkt“ wirklich steckt, erkläre ich hier: Mutterinstinkt – das steckt wirklich dahinter.
Muttermilch ist nicht automatisch kariogen – also nicht kariesfördernd.
Aber wie so oft hängt es von mehreren Faktoren ab. Schauen wir genauer hin.

Wenn die Ärztin sagt: „Stillen macht Karies“ – was du wissen solltest
Viele Mütter verbinden das Bild vom nächtlichen Nuckeln mit der sogenannten Fläschchenkaries. Und ja – wenn Kinder über längere Zeit zuckerhaltige Getränke aus der Flasche trinken, kann das die Zähne massiv schädigen.
Aber das lässt sich nicht einfach aufs Stillen übertragen. Beim Stillen ist die Situation biologisch anders:
Das Kind saugt aktiv, die Brustwarze liegt weit hinten im Mund, die Milch wird geschluckt – nicht gesammelt. Außerdem enthält Muttermilch Stoffe, die Bakterien hemmen und den Zahnschmelz schützen.
Trotzdem hält sich die Sorge hartnäckig. Vor allem dann, wenn das Kind älter wird und häufiger an der Brust nuckelt, ohne wirklich zu trinken. Dann heißt es schnell: „Die Milch umspült die Zähne – das gibt Karies.“
Diese Angst ist nachvollziehbar, aber stimmt das wirklich? Schauen wir auf die Forschung.
Ist Muttermilch kariogen? Das sagt die aktuelle Forschung (2024/25)
Die Wissenschaft ist sich einig:
Stillen bis etwa zum 12. Monat ist unbedenklich – und sogar positiv für die Zahngesundheit.
Mehrere Studien zeigen, dass gestillte Kinder im Kleinkindalter seltener Karies haben als Kinder, die mit Flasche und Ersatzmilch ernährt werden.
Eine große Metaanalyse aus dem Jahr 2024 (Valaitis et al.) hat 31 Studien ausgewertet: Sie fand kein erhöhtes Kariesrisiko durch Stillen im ersten Lebensjahr. Erst bei sehr langem Stillen – über 18 Monate hinaus – zeigte sich in manchen Fällen ein leicht erhöhtes Risiko, wenn zusätzlich zuckerhaltige Getränke oder unzureichende Zahnpflege hinzukamen.
Eine neuere Längsschnittstudie (Scientific Reports, 2024) kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Voll gestillte Kinder im Alter von 6 bis 17 Monaten hatten im Alter von drei Jahren weniger Karies als Vergleichsgruppen.
Das Risiko stieg nur, wenn das Stillen häufig nachts, über sehr lange Zeit und ohne konsequente Zahnpflege stattfand.
Kurz gesagt:
Nicht das Stillen verursacht Karies – sondern die Kombination aus Zucker, Bakterien, Speichelmangel und fehlender Zahnpflege.
Wenn dein Kind nur nuckelt – umspült die Milch wirklich die Zähne?
Dieses Szenario kennen viele: Das Kind trinkt gar nicht mehr richtig, sondern nuckelt kurz an der Brust ein, manchmal mehrfach in der Nacht. Dabei läuft ein wenig Milch in den Mund – und ja, sie kann die Zähne kurzzeitig umspülen.
Entscheidend ist aber, wie lange die Milch tatsächlich auf den Zähnen bleibt und wie aktiv der Speichelfluss ist.
Beim Stillen wird durch das Saugen weiterhin Speichel gebildet, der die Milch relativ schnell wieder wegspült. Anders als bei einer Flasche, die passiv im Mund hängt, bewegt sich beim Stillen der Mund- und Zungenraum. Das reduziert die Einwirkzeit der Milch deutlich.
Nur wenn das Kind ständig nuckelt, kaum speichelt und die Zähne nie geputzt werden, kann die Situation problematisch werden.
Das hat aber mehr mit Hygiene und Gewohnheit zu tun als mit der Muttermilch selbst.
Wenn nächtliches Nuckeln weniger mit Hunger als mit Nähe oder Sicherheit zu tun hat, kann es helfen, die Schlafsituation ganzheitlich zu betrachten. In meinem Begleitprogramm Sleep Talk Familienreise – Vertrauen im Schlaf begleite ich Familien genau dabei – Schritt für Schritt zu ruhigeren Nächten ohne Druck und Schuldgefühle.
Muttermilch enthält keine industriell zugesetzten Zuckerarten, sondern Laktose – und Laktose allein ist deutlich weniger kariogen als etwa Saccharose (Haushaltszucker). Außerdem sind in Muttermilch antibakterielle Enzyme und Immunglobuline enthalten, die Kariesbakterien hemmen.
Mit anderen Worten: Muttermilch ist biologisch dafür gemacht, Babys zu nähren – nicht, ihre Zähne zu zerstören.
Muttermilch ist ein echtes Wundermittel – sie schützt nicht nur vor Infekten, sondern fördert auch die gesunde Entwicklung von Gehirn, Darm und Immunsystem. In meinem Artikel Was Muttermilch alles kann – und warum Stillen so wichtig ist erfährst du, welche unglaublichen Fähigkeiten Muttermilch wirklich hat.
Wann Stillen tatsächlich Karies begünstigen kann
Trotzdem kann das Risiko steigen, wenn mehrere ungünstige Faktoren zusammenkommen:
- häufiges, langes Stillen in der Nacht bei schon durchgebrochenen Zähnen
- wenig oder keine Zahnpflege
- zusätzliche süße Snacks oder Getränke
- sehr geringer Speichelfluss
Dann kann sich tatsächlich Plaque bilden – vor allem, wenn über viele Stunden nichts gereinigt wird. Das ist aber kein Grund, reflexartig abzustillen.
Besser ist: Zähne putzen, Zucker reduzieren und Stillmuster beobachten.
So schützt du die Zähne deines Babys beim Stillen
🦷 Zähne ab dem ersten Zahn putzen.
Am besten zweimal täglich mit einer weichen Kinderzahnbürste und fluoridhaltiger Kinderzahnpasta.
🌙 Nachts stillen ist erlaubt – aber nicht ständig nuckeln.
Wenn das Kind dauerhaft an der Brust hängt, ohne zu trinken, darf man liebevoll Grenzen setzen oder das Einschlafen anders begleiten.
🧴 Keine Flasche zum Dauernuckeln.
Egal ob Milch, Saft oder Tee – was über Stunden im Mund bleibt, kann Karies fördern.
💬 Frühzeitig zur Zahnärztin.
Spätestens mit dem ersten Geburtstag, besser früher, wenn Fragen auftauchen.
💜 Stillen darf bleiben.
Abstillen „wegen Kariesangst“ ist medizinisch nicht nötig. Mit guter Mundpflege bleibt das Stillen unbedenklich – auch über das erste Lebensjahr hinaus.
Viele Mütter kennen das: Das Kind braucht beim Einschlafen immer die Brust – und man fragt sich, ob das jemals anders wird. Warum das keine „schlechte Angewohnheit“ ist und wie du sanft neue Schlafgewohnheiten begleiten kannst, liest du hier: Die gefürchtete Schlafassoziation.
Fazit: Muttermilch ist kein Risiko, sondern Schutz
Wenn jemand sagt: „Stillen macht Karies“, darfst du innerlich tief durchatmen – und freundlich widersprechen.
Muttermilch ist kein Feind der Zahngesundheit. Sie ist komplex, antibakteriell und evolutionär darauf ausgelegt, Babys sicher zu ernähren.
Karies entsteht nie durch eine einzelne Ursache, sondern durch Gewohnheiten. Wer regelmäßig putzt, Zucker meidet und entspannt bleibt, schützt die Zähne seines Kindes – mit oder ohne nächtliches Stillen.
Wenn du unsicher bist, wie du euer Stillen und die Zahnpflege gut verbinden kannst, begleite ich dich gerne individuell – mit Herz, Wissen und ohne Druck. 💜
Hier findest du meine Angebote
Literatur (Auswahl)
- Valaitis, R. et al. (2024): Breastfeeding and Early Childhood Caries: A Systematic Review and Meta-Analysis. Journal of Dental Research.
- Scientific Reports (2024): Association between Exclusive Breastfeeding and Caries at Age 3.
- Gesund ins Leben (BZfE, 2021): Stillen und Karies – Fachinformation.
- Breastfeeding Australia (2024): Breastfeeding and Tooth Decay – Evidence Summary.
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