Mutterinstinkt: Das steckt wirklich dahinter

Viele frischgebackene Mütter kennen diesen Gedanken: „Warum spüre ich nicht, was mein Baby braucht? Müsste das nicht instinktiv passieren?“ Dahinter steckt ein hartnäckiger Mythos – der sogenannte Mutterinstinkt. In diesem Artikel kläre ich, was wirklich dahintersteckt, was die Forschung dazu sagt und warum Unsicherheit kein Zeichen von Schwäche ist.

Mutterinstinkt und warum es ihn nicht gibt

Gibt es den Mutterinstinkt überhaupt?

Der Begriff „Mutterinstinkt“ wird oft so verwendet, als wäre er etwas Angeborenes – ein innerer Kompass, der automatisch weiß, was ein Kind braucht. Aber genau das ist er nicht. Ein Instinkt im biologischen Sinn ist ein fest verankertes, angeborenes Verhaltensmuster, das ohne Lernen abläuft – wie das Nabelschnur-Durchbeißen bei Katzen. Wenn es den Mutterinstinkt tatsächlich gäbe, dann hätten ihn alle Menschen gleichermaßen.

In meinem Beratungsalltag sage ich oft: Wenn es den Mutterinstinkt wirklich gäbe, wäre ich arbeitslos. Dann bräuchte es keine Hebammen, keine Stillberaterinnen und auch keine Eltern- und Mutterberatung. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Eltern suchen Orientierung, brauchen Unterstützung – nicht, weil mit ihnen etwas falsch ist, sondern weil Eltern sein ein Lernprozess ist.

Die psychologische Forschung bestätigt das: Die Art, wie Eltern sich in ihre Kinder einfühlen, ist nicht angeboren, sondern entwickelt sich im Laufe der Beziehung. Bindung entsteht durch Nähe, Wiederholung, Beobachtung – nicht durch magisches Wissen.

  • Quelle: Grossmann, K. E. & Grossmann, K. (2003). „Bindung und menschliche Entwicklung“. Stuttgart: Klett-Cotta.

Woher kommt die Vorstellung vom Mutterinstinkt?

Die Wurzeln liegen tief in gesellschaftlichen Strukturen – insbesondere im Patriarchat. Die Vorstellung, dass Frauen per Natur besser für Kinder sorgen können, entlastet nicht nur Väter, sondern zementiert auch alte Rollenbilder. Medien und Idealbilder tun ihr Übriges: Mütter, die immer wissen, was zu tun ist. Babys, die sich sofort beruhigen. Väter, die bestenfalls hilfsbereit „mithelfen“.

Dabei ist das Gegenteil der Fall: Gerade der gesellschaftliche Druck spricht gegen die Existenz eines angeborenen Mutterinstinkts. Wäre dieser wirklich vorhanden, müssten Mütter nicht ständig gegen Erwartungen, Schuldgefühle und Selbstzweifel kämpfen. Wenn du mehr zur Bedürfnisorientierten Erziehung lesen willst, dann geht es HIER zum Artikel.

Und noch etwas: Auch das Gehirn von Vätern verändert sich nach der Geburt – genauso wie das von Müttern. Das zeigt, dass Fürsorgeverhalten kein reines Frauen-Privileg ist, sondern durch Präsenz, Bindung und Alltag entsteht.

  • Quelle: Abraham, E. et al. (2014). „Father’s brain is sensitive to childcare experiences“. PNAS, 111(27), 9792-9797.

Warum Mütter trotzdem oft intuitiver auf ihr Kind reagieren? Ganz einfach: Weil sie meist viel präsenter sind. In Österreich gehen Mütter oft zwei bis drei Jahre in Karenz – Väter maximal die obligatorischen zwei Monate. Wer mehr Zeit mit dem Kind verbringt, entwickelt ein feineres Gespür. Kein Wunder also, dass Mütter häufig schneller erkennen, was ihr Kind braucht.

Warum der Mutterinstinkt eher ein Lernprozess ist

Statt über Instinkt sollten wir über elterliche Intuition sprechen – ein Gefühl, das aus Erfahrung wächst. Ein zentrales Element dabei ist das Hormon Oxytocin, auch bekannt als „Kuschelhormon“ oder „Bindungshormon“. Es wird beim Stillen, Tragen oder Kuscheln ausgeschüttet und fördert die Verbindung zwischen Eltern und Kind. Auch beim Vater übrigens.

Das erklärt auch, warum eine gute Geburt oder das bewusste Nachholen von Bonding-Erfahrungen (zB durch ein Bonding-Bad) wichtig sein können. Sie stärken die hormonelle Grundlage für Fürsorge und Vertrauen – keine Magie, sondern Biologie. Wenn dich dieses Thema interessiert, findest du hier mehr dazu in meinem Artikel über das Bonding-Bad.

  • Quelle: Feldman, R. (2012). „Oxytocin and social affiliation in humans“. Hormones and Behavior, 61(3), 380–391.

Und dann ist da noch etwas ganz Menschliches: Nähe, Beobachtung, Wiederholung. Je öfter du deinem Kind begegnest, je mehr du ausprobierst, je mehr du darauf achtest, was funktioniert – desto sicherer wirst du.

Was bedeutet das für dich als Mutter?

Bettina Dutzler, deine Expertin für die Baby- und Kleinkindzeit

Die wichtigste Botschaft: Wenn du dich unsicher fühlst, heißt das nicht, dass mit dir etwas nicht stimmt. Es heißt, dass du lernst. Und dass du offen bist, zu wachsen.

Vertrau darauf, dass du immer wieder richtig liegen wirst – auch wenn du zweifelst. Denn Elternschaft funktioniert nicht nach Schema F, sondern in kleinen Schritten, Tag für Tag.

Wir Menschen sind übrigens eine „kooperativ aufziehende Art“ – das heißt, wir sind evolutionär nicht darauf ausgelegt, ein Kind allein großzuziehen. Kein Wunder also, dass viele Mütter sich fragen: „Warum schaffen das andere, aber ich nicht?“ Die ehrliche Antwort: Niemand schafft das allein. Und niemand sollte das müssen.

  • Quelle: Hrdy, S. B. (2009). „Mothers and Others: The Evolutionary Origins of Mutual Understanding“. Belknap Press.

Wenn du dich dabei unterstützen lassen möchtest, findest du hier mein Angebot zur Elternberatung und Schlafberatung.

Mein Fazit

Der Mutterinstinkt, wie er oft dargestellt wird, ist ein Mythos. Was du wirklich brauchst, ist keine angeborene Fähigkeit – sondern Vertrauen, Begleitung, Information und die Möglichkeit, dich als Mutter zu entwickeln. Und genau dabei begleite ich dich gern.

👉 Wenn du dich weniger verunsichern lassen willst und deinen eigenen Weg finden möchtest, findest du hier meine Angebote zur Eltern- und Schlafberatung.


Meine Buchempfehlungen zum Thema

Literaturverzeichnis

  • Grossmann, K. E. & Grossmann, K. (2003). „Bindung und menschliche Entwicklung“. Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Abraham, E. et al. (2014). „Father’s brain is sensitive to childcare experiences“. PNAS, 111(27), 9792–9797.
  • Feldman, R. (2012). „Oxytocin and social affiliation in humans“. Hormones and Behavior, 61(3), 380–391.
  • Hrdy, S. B. (2009). „Mothers and Others: The Evolutionary Origins of Mutual Understanding“. Belknap Press.