Was Kinder brauchen, um runterzukommen – und warum nicht jedes Kind gleich reagiert

Blogserie: Aggression bei Kindern begleiten – Teil 3 von 3

Dieser Artikel ist Teil 3 meiner Blogserie. Falls du Teil 1 und 2 noch nicht gelesen hast – sie ergänzen diesen Beitrag perfekt:
👉 Warum Erklären beim Wutanfall nichts bringt
👉 Anspannung & Entspannung – ein hilfreiche Übung

Regulationsstrategien für Kinder, runterkommen durch Co-Regulation. Bettina Dutzler, Expertin für Baby und Kleinkind

Wenn dein Kind wütend wird – wirklich wütend – dann geht’s nicht darum, die eine richtige Strategie zu finden. Viele Eltern wünschen sich das zwar, aber so funktioniert Regulation nicht. Kinder brauchen unterschiedliche Dinge, um wieder runterzukommen. Und das hängt nicht nur vom Kind ab, sondern auch von uns Erwachsenen.

Aggression entsteht im Körper – und sie löst sich auch über den Körper. Die Frage ist: Wie genau funktioniert das bei deinem Kind?


Warum nicht jedes Kind gleich reagiert

Kinder sind unterschiedlich. Manche brauchen Nähe, andere Bewegung, wieder andere Rückzug. Und das hat NICHTS damit zu tun, ob Eltern „gut“ oder „schlecht“ erziehen – aber es hat sehr viel damit zu tun, wie Stress im Familiensystem gelebt wird.

👉 Kinder lernen Regulation durch Vorleben.
👉 Sie beobachten, wie Eltern Stress abbauen.
👉 Sie speichern ab, wie im Alltag mit Wut, Überforderung und Druck umgegangen wird.

Das heißt:
Erziehung im Sinne von Vorleben hat sehr wohl Einfluss. Nicht moralisch, nicht wertend – sondern neurobiologisch.

Hohe Erwartungen an sich selbst – und an ihr Kind spielen bei der Regulation eine große Rolle. Warum dieser Druck gar nicht nötig ist und wie du ihn loslassen kannst, erkläre ich in diesem Artikel: Mutterinstinkt, das steckt dahinter.

Viele Eltern sagen in meinen Beratungen:

„Ich hab das Gefühl, ich hab schon alles versucht.“

Dieses Gefühl ist echt. Und es ist verständlich. Irgendwann gehen jedem mal die Ideen aus. Es heißt aber nicht, dass du versagt hast – sondern, dass ihr als Familie noch herausfinden dürft, welcher Weg für euch funktioniert.


Die drei Regulationstypen von Kindern

Diese Einteilung ist nicht medizinisch, sondern ein hilfreiches Modell. Und kein Typ ist „leichter“ oder „schwieriger“.
Eltern wünschen sich manchmal einen bestimmten Typ – aber Kinder sind, wie sie sind.

Und:
Kinder orientieren sich auch daran, wie wir Erwachsene selbst regulieren.
Ein „Bewegungskind“ hat oft einen bewegungsorientierten Elternteil.
Ein „Nähe-Kind“ spiegelt häufig ein sensibles Familiensystem wider.
Ein „Rückzug-Kind“ lebt oft in Familien, die viel Ruhe brauchen.

Das ist normal. Nicht falsch oder problematisch. Einfach menschlich.


1. Nähe-Kinder (Regulation durch Co-Regulation & Körperkontakt)

Diese Kinder kommen runter durch:

  • Körperkontakt
  • Umarmungen
  • sanfte Berührung
  • leise Stimme
  • Atmung in Verbindung

Sie wirken manchmal anhänglich, brauchen aber schlicht Sicherheit.

Hilfreiche Sätze:
„Ich bin da.“
„Ich halte dich, bis dein Körper wieder ruhiger wird.“
„Wir atmen kurz zusammen.“

Nähe-Kinder profitieren ungemein auch von Nähe in der Nacht. Lies dazu gern meinen Artikel: Liebeserklärung an das Familienbett.


2. Bewegungs-Kinder (Regulation durch Aktion)

Diese Kinder müssen Energie rauslassen, bevor sie wieder denken können.

Sie brauchen:

  • Rennen
  • Springen
  • Drücken
  • Muskelarbeit
  • große Bewegung
  • Körperkraft

Sätze, die helfen:
„Komm, wir stampfen das kurz raus.“
„Zeig mir, wie stark du bist.“
„Wir machen den Tiger.“

Auch hier: kein besser, kein schlechter – nur ein anderer Weg.


3. Rückzug-Kinder (Regulation durch Raum & Reduktion)

Diese Kinder wollen:

  • Abstand
  • Reizreduktion
  • einen ruhigen Ort
  • Luft und Zeit

Sie sind nicht „stur“ oder „abweisend“.
Sie sind oft sehr sensibel und müssen sich selbst wiederfinden.

Hilfreiche Sätze:
„Ich bin in der Nähe, wenn du soweit bist.“
„Du darfst kurz allein sein, um ruhiger zu werden.“
„Sag Bescheid, wenn du mich brauchst.“

Wichtig: Das ist kein Wegschicken, sondern ein respektvoller Rückzug.

Bitte achte darauf, dass du deinem Kind immer das Gefühl gibst, dass du da bist, auch wenn es grade alleine sein möchte. Und das das alleine sein nicht von euch Eltern ausgeht, sondern von eurem Kind.


Wie findest du heraus, welcher Typ DEIN Kind ist?

Indem du dein Kind beobachtest – nicht bewertest:

  • Wird dein Kind durch Nähe ruhiger oder wilder?
  • Wird Bewegung stärker oder lösender?
  • Wird Rückzug beruhigend oder eskalierend?
  • Welche Regulation passt zu dir als Mama?
  • Wie wirkt dein eigenes Nervensystem im Moment der Wut?

Denn: Kinder regulieren sich immer in Beziehung zu den Erwachsenen, die sie begleiten.

Wie du starke Gefühle deines Kindes begleiten kannst, ohne selbst zu kippen, erzähle ich in diesem Erfahrungsbericht einer Mama, die ehrlich über ihre Grenzen spricht: Wenn das zweite Kind alles auf dem Kopf stellt.


Welche Stressregulation funktioniert bei dir als Mama?

Das ist der Teil, den Eltern oft unterschätzen. Unsere Kinder beobachten uns ständig, daher passt der Satz „Tu was ich sage, nicht was ich tue“ so gut und funktioniert nie ;-).

Wenn du selbst Stress über:

  • Nähe
  • Bewegung
  • Reden
  • Rückzug

abbaust, wird dein Kind das aufnehmen. Kinder lernen Regulation auch über Spiegelung.

Es ist deshalb wichtig, dass DU weißt:

👉 Brauchst du Nähe oder Raum?
👉 Ruhst du dich runter oder aktivierst du dich?
👉 Was hilft deinem Nervensystem wirklich?

Denn das, was dir hilft, prägt die Atmosphäre, in der dein Kind lernt.

Was alle Kinder brauchen: Sicherheit

Bettina Dutzler, Expertin für Baby und Kleinkind

Egal welcher Typ – die Grundlage bleibt dieselbe:

👉 Ich bin da.
👉 Ich halte dich aus.
👉 Du darfst wütend sein.
👉 Ich schütze dich und mich.

Kinder mit viel oder wenig Wut brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen regulierende Erwachsene, die präsent bleiben – auch wenn der Sturm laut wird.


Und was brauchst du?

Es ist okay, überfordert zu sein.
Es ist okay, nicht zu wissen, was hilft.
Es ist okay, Fehler zu machen.

Du lernst dein Kind Schritt für Schritt besser kennen.
Und du darfst dir Unterstützung holen – nicht weil du versagst, sondern weil du Verantwortung übernimmst.


Du möchtest herausfinden, welche Regulation deinem Kind wirklich hilft – und was DU brauchst, um ruhig zu bleiben?
Schreib mir gern eine Nachricht. Wir schauen uns das gemeinsam an. Online oder in meinem Praxisraum in 4655 Vorchdorf 💜


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