Wenn das zweite Kind alles auf den Kopf stellt – ehrliche Erfahrungen aus dem ersten Jahr

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Ein anonymer Erfahrungsbericht einer Mama

Manchmal erfüllen sich Herzenswünsche – und bringen einen trotzdem an die Grenze.
Eine Mama hat mir erzählt, wie sie das erste Jahr mit zwei Kindern erlebt hat: ehrlich, müde, überfordert – und voller Liebe.
Ich durfte sie interviewen, und sie hat mir erlaubt, ihre Geschichte anonym zu teilen.


das zweite Kind, Erfahrungsbericht anonym, Blogartikel Bettina Dutzler, Familienberaterin

Ich hatte mir das zweite Kind so sehr gewünscht. Ein Geschwisterchen. Ein Spielgefährte. Noch einmal Babyduft, Stillen, Kuscheln.
Ich dachte, diesmal weiß ich ja, worauf ich mich einlasse.
Ich lag leider falsch.

Nach dem Kaiserschnitt war mein Partner ein paar Wochen zuhause, genau wie beim ersten Kind. Dann ging er wieder arbeiten – und plötzlich war ich allein. Zwei Kinder.
Das Baby hing dauernd an meiner Brust, das große Kind hatte ständig Wutanfälle und hat viel geweint.
Ich erinnere mich an Nachmittage, an denen ich beide auf mir liegen hatte, und dachte: Ich kann einfach nicht mehr.
Und gleichzeitig schämte ich mich für diesen Gedanken.
Ich wollte doch zwei Kinder. Ich hatte es mir ausgesucht.


➤ Hattest du dir das zweite Kind anders vorgestellt?

Ja. Ich dachte, das Zweite wird einfacher! Ich hab ja Erfahrung, hab ich mir eingeredet.
Aber niemand sagt einem, dass Erfahrung nichts nützt, wenn das neue Baby ganz anders ist. Schläft anders, trinkt anders, reagiert anders.
Und dass das schlechte Gewissen, dem älteren Kind gegenüber, wie ein ständiger Schatten mitläuft.

Ich hab mich so oft gefragt:
Warum hat mir das niemand gesagt?
Warum spricht niemand darüber, dass man das zweite Kind lieben kann – und trotzdem manchmal bereut, dass man sich auf diese Doppelbelastung eingelassen hat?


➤ Wann hast du gemerkt, dass der Alltag mit zwei Kindern anders wird, als du es dir vorgestellt hast?

Ziemlich früh.
Eigentlich schon in dem Moment, als mein Partner wieder arbeiten ging.
Der Große wollte Aufmerksamkeit, der Kleine wollte Nähe – und ich wollte einfach mal zehn Minuten Ruhe.
Aber das war ein Luxus, den es nicht gab. Das war ziemlich lange so. Auf diese zehn Minuten Ruhe warte ich eigentlich heute noch…

Ich hatte geglaubt, Routine würde helfen. Doch mit zwei kleinen Kindern gibt es keine Routine.
Es gibt nur heute so, morgen anders – und jede Menge Selbstzweifel dazwischen.

Auch beim ersten Kind gab es diese „Phasen“. Immer wenn du denkst, jetzt hast du es heraußen, jetzt wissen wir, wie unser Baby tickt, dann ändert sich alles wieder. Aber mit zwei Kindern, die unterschiedlich schnell sind in der Entwicklung, ist das einfach niemals gleich.

Besonders beim Schlaf hab ich das gemerkt. Einer der beiden war immer müde. Beide brauchten Einschlafbegleitung. Und ich war trotzdem nur eine Person, ich kann mich nicht aufteilen.

Mehr über kindlichen Schlafrhythmus liest du hier.


➤ Wie war das für dich emotional?

Überwältigend. Ich hab mich oft gefragt, wo ich in diesem ganzen Chaos eigentlich bleibe.
Ich war wütend, müde, traurig, alles gleichzeitig.
Und dann hab ich mich für all das geschämt.
Ich wollte ja, dass beide Kinder sich geliebt fühlen – aber ehrlich gesagt: Ich war einfach leer.


➤ Wie hat sich die Beziehung zu deinem Partner verändert?

Wir haben uns oft gestritten, manchmal wegen Kleinigkeiten.
Er kam von der Arbeit, ich war fertig, das Baby hat geschrien – und ich hatte das Gefühl, niemand versteht, wie schwer das ist.
Ich weiß, dass er sein Bestes gegeben hat, aber ich war trotzdem enttäuscht.
Nicht von ihm – sondern davon, dass das Leben nicht so war, wie ich es mir vorgestellt hatte.


➤ Gab es Schuldgefühle?

Ja, ständig.
Wenn ich den Großen angefahren habe, weil das Baby gerade geschrien hat.
Wenn ich dachte: Ich möchte einfach nur meine Ruhe.
Oder wenn ich abends die Fotos ansah und dachte:
Eigentlich müsste ich dankbar sein – und ich fühle gar nichts außer Erschöpfung.


➤ Wie war das erste Jahr wirklich?

Hart.
Ehrlich gesagt: verdammt hart.
Ich war müde, gereizt, überfordert.
Ich habe Nächte durchgestanden, an denen ich das Baby im Arm hatte und gleichzeitig das ältere Kind zurück ins Bett bringen musste.
Und dazwischen das Gefühl: Ich kann nicht mehr, aber ich muss.

Das erste Jahr mit zwei Kindern ist kein doppeltes Glück.
Es ist doppelte Arbeit, doppelte Verantwortung, doppelte Müdigkeit –
und manchmal halbe Freude, weil einfach keine Energie mehr bleibt, um sie zu fühlen.


➤ Gab es etwas, das dir geholfen hat?

Ein bisschen.
Wenn die Oma da war.
Oder wenn ich es geschafft hab, dem Großen eine Stunde exklusive Zeit zu schenken.
Aber meist war ich einfach im Überlebensmodus.
Ich wollte, dass es wieder leichter wird.
Ich wollte wieder schlafen, lachen, atmen können.
Ich wollte, dass mir jemand sagt:
Das ist normal. Du bist keine schlechte Mutter, nur weil du gerade nicht glücklich bist.


Meine Sicht als Familienberaterin

Ich begleite viele Mütter, die genau diese Gedanken haben – und fast alle sagen mir irgendwann denselben Satz:

„Ich liebe meine Kinder, aber manchmal wünschte ich, ich hätte gewusst, wie hart das wirklich ist.“

Deshalb bin ich dir, liebe anonyme Mama, sehr dankbar, dass ich dieses Interview veröffentlichen durfte.

Das zweite Kind ist kein „Upgrade“, sondern eine völlig neue Familienkonstellation.
Die größte Belastung entsteht selten durch die Kinder selbst, sondern durch die ständige Überforderung, alles gleichzeitig schaffen zu müssen – ohne ausreichende Unterstützung, ohne echte Pausen, oft ohne Verständnis von außen.

Mehr über Mental Load und faire Aufteilung findest du hier.

Es ist völlig normal, wenn du dich im ersten Jahr manchmal fragst, ob du das wirklich wolltest.
Das hat nichts mit mangelnder Liebe zu tun, sondern mit Erschöpfung.
Und genau deshalb braucht es ehrliche Gespräche darüber – damit Eltern nicht das Gefühl haben, sie seien die Einzigen, die kämpfen.

Wenn du dich in dieser Geschichte wiedererkennst: Hol dir Unterstützung.
Nicht erst, wenn gar nichts mehr geht – sondern bevor du völlig leer bist.
Das ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Verantwortung – für dich und deine Familie 💜

Hier findest du meine Angebote zur Schlafberatung und Elternbegleitung – ich freue mich auf deine Nachricht.


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