Wir waren schon mal weiter – Rückschritt im Feminismus?
Wegen Claire Huxtable und Ally McBeal wollte ich Anwältin werden. Wegen Mila Superstar hab ich Volleyball gespielt, als ginge es um mein Leben – wir wurden sogar Zweite bei der Bezirksmeisterschaft.
Ich bin aufgewachsen mit starken Frauen. Auf dem Bildschirm, in Büchern, in meinem Umfeld. Ich wusste: Ich kann das alles. Ich kann allein sein, laut sein, unabhängig sein – und ich bin trotzdem richtig.
Ich erinnere mich an meinen besten Freund als Kind. Wir waren unzertrennlich – bis er plötzlich nicht mehr mit mir sprach. „Weil du ein Mädchen bist“, hat er gesagt. Ich war fassungslos.
Heute bin ich wieder fassungslos.
Nur subtiler.
Weil ich sehe, wie Frauen sich rechtfertigen müssen, dass sie arbeiten.
Weil ich sehe, wie Männer sich feiern lassen, wenn sie ein Baby wickeln.
Weil ich höre, wie andere sagen: „Das ist doch kein Feminismus mehr – jetzt übertreibt’s ihr aber!“
Nein. Wir übertreiben nicht. Wir fordern ein. Was uns zusteht.

Starke Frauen waren sichtbar. Und dann…?
Früher gab’s Serien wie Buffy, Ally McBeal, Gilmore Girls.
Musicals wie Elisabeth – „Ich gehör nur mir.“
Slogans wie girl power.
Ja: Es war manchmal kitschig. Aber die Richtung hat gestimmt.
Ich hatte das Gefühl: Wir gehen nach vorn.
Heute haben wir TradWives auf TikTok, die stolz Hemden bügeln und sich als „gehorsam“ bezeichnen. Dating-Coaches, die Frauen erklären, wie sie männliche Führung zulassen sollen. Und Burschen, die sich in Onlineforen zu Incels radikalisieren, weil sie glauben, ihnen wird etwas weggenommen.
Sorry – aber wo bewegen wir uns da bitte hin?
Care-Arbeit ist Arbeit. Punkt.
Ich sage das ganz klar: Mutterschaft ist wichtig. Vaterschaft auch.
Care-Arbeit ist keine „Pause vom Beruf“, sondern Leistung. Emotionale, körperliche, mentale.
Und wer sagt, „ich bleib halt daheim beim Kind“ darf nicht auch noch belächelt oder wirtschaftlich abhängig gemacht werden.
Denn:
Nur weil du zu Hause bist, heißt das nicht, dass du frei hast.
Dass du immer verfügbar bist.
Dass du nichts leistest.
Diese Erzählung macht Frauen kaputt.
Und: Sie dient dem System. Denn sie sorgt dafür, dass Frauen sich nicht wehren.
Aber wer denkt an später? An die Altersarmut? An die Abhängigkeit?
Wer sieht, wie schnell sich das Patriarchat gerade wieder Luft verschafft?
Es schlägt zurück. Weil es merkt, dass es den Kampf langsam verliert.
Das Patriarchat schlägt zurück – weil es merkt, dass es verliert
Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt so viele Männer laut werden.
Dass antifeministische Stimmen wieder mehr Reichweite bekommen.
Dass Mütter gesagt bekommen, sie sollen doch „nicht jammern“ – sie hätten sich das ja so ausgesucht.
Solange Frauen in der Arbeit hören:
– „Wir haben wen Hübschen gebraucht.“
– „Heutzutage macht sich jede Mama mit irgendeinem Scheiß selbstständig – bleibts daheim, das wär besser.“
Solange das Realität ist, sind wir nicht gleichberechtigt.
Sondern immer noch abhängig vom Goodwill anderer.
Ich will Island. 1975.
Ein Tag Streik. Frauen haben einfach aufgehört. Nicht gearbeitet, nicht gekocht, nicht betreut, nicht organisiert.
Und weißt du, was passiert ist?
Plötzlich waren die Männer zuständig. Und haben’s nicht geschafft.
Weil sie 1. gemerkt haben, was ihre Frauen leisten,
2. wie viel sie gar nicht am Schirm haben –
und 3. wie sehr das Land auf weiblicher Arbeitskraft basiert. Unbezahlt, versteht sich.
Ich kämpfe leise. Aber jeden Tag.
Mein Mini-Feminismus fängt in der Kindergruppe Moos an, wo ich Obfrau bin. Da gibt’s keine „Mamagruppe“, da gibt’s eine Elterngruppe. Mit Vätern. Die gefragt sind. Die gebraucht werden.
In meinen Workshops und Einzelberatungen erkläre ich:
– warum es den Mutterinstinkt nicht gibt,
– warum Papas alles genauso gut können wie Mamas,
– und warum „ich muss ja morgen wieder arbeiten“ kein Argument ist:
Denn: Du fährst allein Auto.
Du gehst allein aufs Klo.
Kein Kind weint, wenn du duschst.
Und: Du kannst in der Mittagspause schlafen, wenn du willst.
Mütter nicht. Weil sie durchpowern. Weil niemand übernimmt. Weil wir es einfach gewohnt sind.
Ich will das nicht mehr stillschweigend hinnehmen.
Ich gehör nur mir – und trotzdem will ich nicht allein kämpfen
Wenn ich heute den Song Labour von Paris Paloma höre, spüre ich: Genau das ist meine Wut. Meine Erschöpfung. Meine Kraft.
Und ich merke: Kein Mann versteht es wirklich.
Weil sie es nicht erleben.
„All day, every day – therapist, mother, maid, nymph,
then a virgin, nurse, then a servant,
just an appendage – live to attend him.“„Den ganzen Tag, jeden Tag – Therapeutin, Mutter, Putzfrau, Nymphe,
Paris Paloma – Labour
dann Jungfrau, Krankenschwester, dann Dienerin –
bloß ein Anhängsel. Da, um ihm zu dienen.“
Aber wir. Wir erleben es täglich.
Und deshalb sage ich: Wir waren schon mal weiter.
Aber diesmal gehen wir nicht nur zurück.
Wir nehmen andere mit. Und wir bleiben laut.
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– Tara-Luise Wittwer („@wastarasagt“) – feministische Influencerin, Autorin, kluge Analysen zu Popkultur und Alltagssexismus
– Carolin Wiedemann – Soziologin & Journalistin mit Fokus auf rechte Männerbewegungen
– Teresa Bücker – Feministin, Autorin, u. a. zum Thema Zeitpolitik und Vereinbarkeit
– Ulla Wendler – Equal Pension Gap – klärt auf über Rentenlücken und wirtschaftliche Abhängigkeit
👉 Wenn du dich noch mehr in die Thematik vertiefen willst:
– Lies meinen Artikel zum Mutterinstinkt